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An dieser Stelle möchte ich in unregelmäßigen Abständen Beiträge zum Thema Bier, Geschichte des Bieres, und zur Geschichte der zahlreichen Brauereien, die es früher in unserer Gegend gegeben hat, veröffentlichen. Mein Hauptaugenmerk liegt natürlich auf den Brauereien meiner Geburtsstadt Wasserburg und deren näherer Umgebung. Und ich verspreche Euch, Brauereigeschichte ist ein spannendes Thema. Und in unserer schnelllebigen Zeit ist die Spurensuche manchmal nicht ganz einfach.
Bräuwirt Wasserburg
Die kurze Episode der Braustätte Nr. 17 in Wasserburg
Zählt man alle Braustätten zusammen, die es in Wasserburg gegeben hat, so kommt Witgar Neumaier auf die stattliche Zahl 15. Witgar Neumaier hat die Brauereigeschichte der Stadt erforscht und auch zahlreiche Publikationen dazu veröffentlicht. Aber er rechnet die Weißbierbrauerei Ignatz Friedlhuber nicht zu den Wasserburger Braustätten, denn sie sei keine der alten und großen Wasserburger Brauereien gewesen, so erklärte er mir das einmal. Rechnet man diese Weißbierbrauerei dazu, so sind wir bei 16 Braustätten. Und dann wären da noch ein paar andere Eintagsfliegen, ebenfalls Weißbierbrauereien, die nach 1870 in Wasserburg entstanden sind, aber nur kurz Bestand hatten – und über die man nichts genaues weiß. Also bleiben wir bei 16!
Weißbierbrauereien hatten in Wasserburg also kein großes Glück. Das trifft auch auf die Braustätte Nr. 17 zu – es war auch wieder eine Weißbierbrauerei.
In den 1980er Jahren wurde in Wasserburg ein neuer Stadtteil gebaut, die sogenannte „Nördliche Burgau“. Im Westen an die bestehende Wohnsiedlung Burgau angrenzend, erstreckte sich die Nördliche Burgau bis an die Umgehungsstraße B304. Das Konzept war zukunftsweisend, denn es sollte keine reine „Schlafsiedlung“ werden, sondern auch Gewerbe, Läden und Gaststätten enthalten.
So wurde am Willi-Ernst-Ring Nr. 2 ein Gebäude errichtet, in dem eine Gasthausbrauerei entstehen sollte. Pächter dieser Braugastronomie war die Firma Braugast. Der Mehrheitsgesellschafter an der Fa. Braugast war die Weißbierbrauerei Hopf aus Miesbach. So entstand eine kleine, moderne Brauerei nach Stand der Technik mit einem 5 Hektoliter Sudwerk. Die Sudanlage war in die Gaststätte integriert und nach klassischem Vorbild mit Kupfer verkleidet. Auch das Bräustüberl lehnte sich gestalterisch an die klassischen Brauereiwirtschaften des ausgehenden 19. Jahrhunderts an, mit dunklen Wandvertäfelungen und massiven Tischen. Ein stilvolles Lokal, in dem man sich sofort wohl gefühlt hat und das zum Bier trinken einlud. Ein kleiner Biergarten rundete das ganze ab, auch der war gemütlich, jedoch fehlten ihm die Schatten spendenden Kastanienbäume. Da hätte man noch ein paar Jahrzehnte warten müssen.
Die „Gasthaus Brauerei zum Bräuwirt“ machte ihren ersten Sud Weißbier vermutlich am 15. Dezember 1987 und eröffnete im Februar 1988. Die „Burgauer Keller Weiße“ war ein vorzügliches Weißbier mit fruchtiger Note und farblich etwas dunkler als die am Markt bekannten hellen Weißbiere. Doch die anfängliche Euphorie ebbte bald ab und die Gäste blieben aus. Obwohl auch die gutbürgerliche Küche sich hat sehen lassen können! Im Laufe des Jahres 1989 wurde die Gasthausbrauerei Bräuwirt aufgegeben. Schade! Wenig später eröffnete die Wirtschaft als Ristorante und Pizzeria „Locanda Hopf“ – und war über viele Jahre hinweg jeden Tag voll besetzt.
Man kann nur spekulieren, warum diese Gasthausbrauerei nicht am Markt hat bestehen können: Die Pacht zu hoch, das Marketing zu schlecht, der Standort nicht der Richtige, die Personalkosten zu hoch – vielleicht eine Mischung aus allem. So endete nach nicht einmal 2 Jahren die Geschichte der Braustätte Nr. 17 in Wasserburg.
Die Forschungsarbeit zu diesem brauereigeschichtlichen Beitrag habe nicht ich gemacht, sondern der vielen Wasserburgern noch bekannte Apotheker Rudolf Ultsch. Dieser veröffentlichte die Familiengeschichte der Stechls in der Zeitschrift „Heimat am Inn“, Band 2 von 1981 unter dem Titel „Oberbayrische Bräuer- und Wirtsgeschlechter – Die Stechl im Wasserburger Raum“. Diesen Artikel habe ich versucht graphisch umzusetzen und auf den brauereigeschichtlichen Teil zu begrenzen. Dabei habe ich auch Ergebnisse meiner eigenen Recherche mit eingefügt. Ultschs Darstellung des Stechlschen Stammbaums ist sehr komplex und daher auch gar nicht so einfach nach zu vollziehen.
Dieser Stechlsche Stammbaum ist beispielhaft für viele Oberbayrische Brauerfamilien. Ultsch belegt das mit dem Zitat eines Wasserburger Bräus aus der Jahrhundertwende, der seiner Tochter diesen Satz mit auf den Weg gab: „…und wennst amoi an Bräu triffst, dann derfst Herr Vetter zu eahm sag’n“. Das bedeutet, man war mit fast jeder Brauerei irgendwie familiär verbandelt. Sohn oder Tochter eines Bräus heiratete standesgemäß in eine andere Brauerei. Man wollte gesellschaftlich und beruflich „unter sich“ bleiben.
Das Stammhaus der Stechl’schen Familie steht in Rechtmehring, zwischen Haag und Wasserburg gelegen. Dieses Anwesen, das jetzt der Brauerei Unertl in Haag gehört, ist heute der Kirchenwirt. Auch um 1700 war dieses Anwesen bereits eine Wirtschaft, in die 1712 ein in Gars am Inn geborener Andreas Stechl einheiratete. Mit dessen Sohn Josef Stechl beginnt unser Stammbaum.
Erklärung zur Graphik: Die farbigen Punkte sind die Braustätten. Die Geschichte dieser Braustätten wird in künftigen Beiträgen an dieser Stelle erzählt werden.
Das Bier in Eimern – oder: Wie groß waren die Wasserburger Brauereien?
16 Braustätten zählte die Stadt Wasserburg im 19. Jahrhundert. Den 1. Weltkrieg überlebten nur 6 Braustätten, nach dem 2. Weltkrieg gab es dann nur noch 3 Brauereien in der Stadt. Heute gibt es keine Braustätte mehr. Doch wie groß waren diese Brauereien damals, so um 1850 rum? Waren das eher kleine Betriebe, die nur für die eigene Wirtschaft brauten? Wie hoch war deren Jahresausstoß?
Die Größe einer Brauerei ergibt sich aus dem Jahresbierausstoß, gemessen in Hektolitern (1hl = 100 Liter). Hier eine Liste mit den Jahresausstoßmengen von einigen aktiven Brauereien unserer Gegend (Die Zahlen sind aus dem Zeitraum von 2010 bis 2020 und entstammen der Internetrecherche):
Brauerei Gut Forsting | 10.000 hl |
Baderbräu Schnaitsee | 700 hl |
Klosterbrauerei Baumburg | 7.000 hl |
Brauerei Aying | 90.000 hl |
Arcobräu Moos | 170.000 hl |
Brauerei Schönram | 100.000 hl |
Zu den Bierausstoßmengen der Wasserburger Brauereien im 19. Jahrhundert gibt es 2 Dokumente, veröffentlicht in der Zeitschrift „Heimat am Inn“ von 1930/31. Zitiert werden darin die Verzeichnisse der damals so genannten „Bierkieser“, den Vorgängern her heutigen Lebensmittelkontrolleure. Diese protokollierten nicht nur den Bierbestand, sondern auch die Qualität des Bieres. Die beiden hier zitierten Protokolle stammen aus den Jahren 1819 und 1853. Die Biermenge wurde noch nicht in Hektolitern erfasst, sondern in Eimern. Unter Eimer darf man sich aber keinen Putzkübel vorstellen, sondern der Eimer war in Deutschland damals ein Hohlmaß. Der Eimer hatte in den verschiedenen deutschen Ländern auch verschiedene Inhalte. Der Bayerische Eimer hatte einen Inhalt von ca. 64 Litern.
Den Bieraustoß der Wasserburger Brauereien habe ich auf Grund der Zahlen von 1853 berechnet. Natürlich muß man diese Zahlen mit Vorsicht betrachten. Ich habe die originale Quelle nicht gesehen, sondern muss mich auf die Veröffentlichung in der „Heimat am Inn“ verlassen. Dann geht aus den Zahlen nicht hervor, ob es sich jeweils um den Gesamtbestand an Sommerbier der Brauerei gehandelt hat, oder ob schon ein Teil des Sommerbieres zum Zeitpunkt der Erfassung verkauft war. Gerade die Zahl der Brauerei des Josef Wild erscheint sehr niedrig, obwohl sie eine der größeren Brauereien in der Stadt gewesen ist. Aber insgesamt mag diese Berechnung einen gewissen Einblick in die damalige Größe der Wasserburger Brauereien vermitteln.
Sommerbier war übrigens das im März eingebraute Bier, das dann den ganzen Sommer über ausgeschenkt wurde. Denn von April bis Oktober bestand damals ein Brauverbot. Ab Oktober wurde dann das Winterbier gebraut. Die Winterbiermenge ist natürlich geringer als die Sommerbiermenge.
1) Die Gesamtmenge wurde folgendermaßen berechnet: Wenn man davon ausgeht, dass im Winterhalbjahr weniger Bier getrunken wird als im Sommer, so wurde von der Sommerbiermenge 40% abgezogen und diese Zahl als Winterbiermenge veranschlagt.
Die Zahlen zum Gesamtausstoß der Brauereien sind also keine absoluten Zahlen, sondern Schätzungen, die nach oben oder unten abweichen können. Die Gesamtmenge des in Wasserburg damals hergestellten Bieres kann sich sehen lassen, wenn man die damalige Einwohnerzahl von etwas mehr als 2000 dagegen setzt. Und die Nachbargemeinden waren ja auch nicht gerade arm an Brauereien: Klosterbrauerei Attl, Klosterbrauerei Altenhohenau, Schlossbrauerei Hart, Brauerei Frabertsham, Klosterbrauerei Gars, Kaiserbräu Rott, … – um nur einige zu nennen. Der Bierausstoß von insgesamt über 30000 hl läßt sich durch den regen Publikumsverkehr den die beiden Handelsrouten Salzstrasse und Innschifffahrt mit sich brachten, erklären. Auch ist bekannt, dass Wasserburger Bier bis ins Chiemgau geliefert wurde. Die Wasserburger Brauer waren wohlhabende Leute und besaßen auch Gasthäuser auf dem Land. So befand sich der Gasthof Schederecker in Schnaitsee zeitweise im Besitz des Enzingerbräus. Der Torbräu (Roter Turm) war bekanntermaßen die kleinste der Wasserburger Brauereien. Sein damaliger Besitzer Martin Schmidramsl verkaufte die Brauerei und gründete 1871 in Forsting eine neue Brauerei, die bis heute besteht!
Brauerei Alois Liebhart in Schnaitsee
Der aus dem Weiler Pfeisenham stammende Landwirt und Sägewerksbesitzer Alois Liebhart erbaute 1924 in dem nur wenige hundert Meter entfernten Gebiet, das seit 1974 offiziell Kreuzstrasse heißt und vorher zu Waltlham gezählt wurde, mehrere größere Gebäudeeinheiten.
Dort errichtete er eine Ökonomie und ein Sägewerk mit einem Kesselhaus. Es dürfte sich also um eine dampfbetriebene Säge gehandelt haben, was den Sägewerksbetrieb vom wechselnden Wasserstand des Bachs in Pfeisenham unabhängig machte. Aus Brauereiverzeichnissen geht hervor, dass Alois Liebhart im Jahr 1930 einen Brauereibetrieb in diesem Anwesen angemeldet hat. Ob Liebhart dort auch eine Gaststätte betrieb, ist nicht belegbar. Diese ist erst in den 1950er Jahren bei den nachfolgenden Besitzern, der Familie Grünauer in Haus Nr. 10 belegt. Zu dem betrieb Alois Liebhart ein Fuhrunternehmen (Siehe Foto).
Um das Jahr 1939/40 geriet das gesamte liebhartsche Anwesen durch eine geplatzte Bürgschaft in den Besitz der Spar- und Darlehenskasse Schnaitsee eGmubH (heute Sparkasse Wasserburg). Unter dem neuen Besitzer wurde die Brauerei noch einige Jahre, vermutlich bis 1946 (andere Quelle: 1951) weiter betrieben. Danach verkaufte die Spar- und Darlehenskasse Wasserburg der Reihe nach die Liebhartschen Immobilien.
So endete nach nur 16 Jahren der Betrieb der bis dato einzigen Brauerei in der Gemeinde Schnaitsee.
Leider ist die Quellenlage zur Geschichte der Liebhartschen Brauerei nicht sehr ergiebig. Es gibt zwar Fotos des Anwesens, auf denen aber die Brauerei nicht drauf ist. Auch ist nichts über die Größe der Brauanlage, den Jahresausstoß und die Vertriebswege des Bieres bekannt. Einige Objekte aus der Brauerei haben die Zeiten überlebt und sind hier abgebildet.
Auf vielen Bauernhöfen ist zu damaliger Zeit Bier gebraut worden, gebraut als Hausbrauereien für den Verzehr im eigenen Betrieb. Allein im Haager Land sind über 50 solcher Braustätten bekannt. – Eine Hausbrauerei scheint die Brauerei Liebhart nicht gewesen zu sein. Die Brauerei Liebhart war eine gewerbsmäßige Brauerei, deren Geschäftsziel der Bierverkauf war. Dafür spricht die Tatsache, dass es eigene, mit Firmenzeichen bedruckte Bierträger gegeben hat, ebenso wie Bieretiketten und Krüge. Auch wurden offensichtlich mehrere Biersorten eingebraut. Deswegen muss die Brauerei wohl auch einen Braumeister gehabt haben. Da die mit Firmenaufdruck versehenen Bierflaschen der Brauerei Liebhart im Umkreis von etwa 100 Km auftauchen, ist von einem nicht nur lokalem Bierabsatz auszugehen. Gerne würde ich wissen, warum sich die Sparkasse Wasserburg in diesem, für Banker doch recht ungewöhnlichen Handwerk betätigt, und die Brauerei unter ihrem Namen und Verantwortung weiter geführt hat (laut Etikett „eGmubH“ = unbeschränkte Haftung!)? Auch würde mich brennend interessieren, was den Landwirt und Sägewerksbesitzer Alois Liebhart dazu getrieben hat, eine Braustätte zu gründen?
Damit ich diese Geschichte eines Tages zu Ende erzählen kann, würde mich jede Information zu der Brauerei des Herrn Alois Liebhart interessieren! Bitte helfts mit!
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Quellen: — Heimatbuch Schnaitsee, Gemeinde Schnaitsee, 2010
-Brauereiverzeichnis der Bundesrepublik Deutschland, Fürth, 1994
-Alle Bilder und abgebildeten Gegenstände aus Privatbesitz
Was war da los beim Baderbräu?
Von der Geschichte des Reformbieres, das wir heute „Alkoholfreies“ nennen
von Edmund Ernst März 2021
1. Die Postkarte
Ebay kann manchmal richtig spannend sein! Durch Zufall bin ich auf eine alte Postkarte aus den 1920er Jahren aufmerksam geworden, die zur Versteigerung stand und die ich dann erworben habe. Darauf abgebildet ist wohl ein Messestand der Weizenbierbrauerei Lauterbach. Und auf dieser Postkarte firmiert sie, nach ihrem damaligen Eigentümer benannt, als „Baderbräu Lauterbach“. Beworben wird ein mehrfach prämiertes „Reform-Weizenbier“. Auf der Postkarte sind auch mehrere Personen, teils vor sich ein Glas Weißbier stehen habend, zu sehen – und deren Minen würde ich überwiegend als finster bezeichnen…
2. Die Erinnerung
Die erste Frage, die ich mir stellte und nicht ad hoc beantworten konnte, war: Was bitte ist ein „Reform-Weizenbier“? Ich erinnerte mich an meine Jugendzeit, als meine Eltern mir von der Reformbewegung erzählten, einer gesellschaftlichen Strömung, die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden ist, den Errungenschaften der Moderne kritisch gegenüber stand und ein Zurück zur Natur forderte. Heute gibt es noch zahlreiche Reformhäuser, die in dieser Bewegung ihren Ursprung hatten. Ist das Reformbier auch dieser Bewegung zuzuordnen?
3. Der Irrtum
Vieles, was im Internet steht, ist von Halbwahrheiten geprägt. So auch die Suche nach der Geschichte des Alkoholfreien Bieres. Meist beginnt hier die Geschichte des alkoholfreien Bieres in den 1960er oder 1970er Jahren. Gut kann ich mich noch an das erste alkoholfreie Bier in den 1970er Jahren erinnern, es hatte den Namen Birell, stammte von der schweizer Brauerei Hürlimann und wurde bei uns von der Münchner Spatenbrauerei vertrieben. Aber das ist nur der neuere Teil der Geschichte. Tatsächlich gibt es alkoholfreie Biere schon viel länger.
4. Der Mensch, der Alkohol und dessen Mißbrauch
Die Geschichtsforschung geht heute davon aus, dass die Menschheit seit mindestens 12000 Jahren in der Lage ist, alkoholische Getränke herzustellen. Und das ist auch der Beginn des Alkoholmißbrauchs. So führten die Ägypter etwa 3000 vor Christus die Biersteuer ein, um dem übermäßigen Bierkonsum Einhalt zu gebieten. Tatsächlich wurde mit diesen Steuereinnahmen der Bau neuer Pyramiden finanziert. Die Biersteuer gibt es heute immer noch, bloß dass heute keine Pyramiden mehr gebaut werden.
Mit der beginnenden Industrialisierung Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts verschärfte sich das Problem des Alkoholmißbrauchs: Immer mehr Menschen zogen aus ihrer ländlichen Umgebung in die Städte, weil sie sich von der Arbeit in den städtischen Industiebetrieben ein besseres Leben versprachen. Herausgerissen aus dem bäuerlich-familiären Umfeld und eingepflanzt in anonyme Arbeitersiedlungen, verfielen viele Industiearbeiter der Alkoholsucht. „Jedoch mussten sie einen Kulturschock überwinden: Das oberste Ziel der Industrie war nicht mehr das Auskommen, sondern der Gewinn. Gearbeitet wurde 16 Stunden am Tag nach dem Rhythmus der Maschinen. Die Menschen versuchten, das alte Ritual des Trinkens in die neue Zeit zu integrieren. Gefragt war Branntwein, denn Bier war nicht nur teuer und schlecht, sondern berauschte in Anbetracht der knappen Freizeit zu langsam. Der effektive Branntweinrausch machte die neuen Arbeitsbedingungen erträglicher.“1) Die Branntweinkneipen hatten Hochkonjunktur. Friedrich Engels beschreibt den Verfall des Proletariats durch Alkoholismus sehr detailliert. In Berlin gab es in manchen Strassen mehr Branntweinkneipen als Hausnummern.
5. Die Gegenbewegung
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden ganz unterschiedliche Gegenbewegungen, deren Ziel die Mäßigung und die Abstinenz waren. Einerseits waren es die Frauen, die sich zusammenschlossen, um den Alkoholkonsum ihrer Männer Einhalt zu gebieten, andererseits gab es auch kirchliche und gewerkschaftliche Vereinigungen, die dieses Ziel anstrebten. Bald war der Branntwein geächtet und das Bier hatte Hochkonjunktur. Ende des 19. Jahrhunderts kam die Lebens-Reformbewegung auf, als Gegenplan zu der fortschrittsgläubigen, kapitalistisch orientierten Industriegesellschaft. Diese forderte auch ernährungsseitig ein Zurück zur Natur und lehnte Alkoholkonsum generell ab. So entstanden überall Abstinenzwirtschaften, in denen kein Alkohol ausgeschenkt werden durfte. Diese Bewegungen existierten auch in den Vereinigten Staaten und mündeten dort 1920 in der sogenannten Prohibition, einem staatlich verordnetem Verbot des Alkoholkonsums, das bis 1933 bestand hatte.
6. Alkoholfreies Bier
Sowohl amerikanische als auch deutsche Brauereien, die um ihren Absatz bangten, begannen ein bierähnliches Getränk zu kreiren, das keinen oder nur minimal Alkohol enthielt. Die Geburtsstunde des alkoholfreien Bieres liegt in der Zeit um 1895. Deutsche Brauer ersannen ein annähernd alkoholfreies Bier, das ab 1905 unter dem Namen „Malzgold“ oder „Reformbier“ in Abstinenzwirtschaften ausgeschenkt wurde.2) Ab dem Jahr 1919 begannen auch viele der wenigen, bedingt durch die Prohibition, übrig gebliebenen Brauereien in den USA3), alkoholfreie Biere nach dem Verfahren der „gestoppten Gärung“ herzustellen. Die „gestoppte Gärung“ ist heute wieder ein geläufiges Verfahren zur Herstellung alkoholfreien Bieres.
Das „Reform-Weizenbier“, das der Baderbräu Lauterbach auf seiner Postkarte von 1920 bewirbt, ist also ein alkoholfreies Bier gewesen.
7. Vom Ende der Abstinenz und Mäßigung bis zur Renaissance
1933 endete die Prohibition in den Vereinigten Staaten. Auch in Deutschland war in den 30er Jahren die Abstinenzbewegung zum Erliegen gekommen. Die alkoholfreien Biere verschwanden wieder aus den Produktpaletten und gerieten in Vergessenheit. Erst zum Ende der 1960er Jahre tauchten sie wieder auf. Und zwar in zwei ganz unterschiedlichen Ländern: In der Schweiz stellte die Brauerei Hürlimann ein alkoholfreies Bier namens Birell her. Und in der DDR wurde von der Engelhardt Brauerei ein Alkoholfreies namens „AuBi“ (Autofahrerbier) gebraut, das später in „Pilot“ umbenannt wurde. Es wurde in den 1980er Jahren ein Exportartikel der DDR und in die USA als „Foxy Light“ und nach England unter dem Namen „Berolina“ ausgeführt.
Heute bedarf es keiner staatlichen Prohibition mehr, der Alkoholkonsum ist frei, aber durch mediale Aufklärung und Promillegrenzen indirekt gedeckelt. So ist alkoholfreies Bier heute ein Wachstumsmarkt, während der pro Kopf Verbrauch von Bier seit Jahrzehnten rückläufig ist.
Quellen und Anmerkungen: 1) Markus Raupach, Alkoholfreies Bier, Bier Deluxe, 24. 11. 2017
Die 3 Brauereien, die sich „Baderbräu“ nennen
Von Edmund Ernst, März 2021
Lange Zeit dachten wir, dass Baderbräu Schnaitsee auf diesem Planeten, den wir Erde nennen, die einzige Brauerei wäre, die sich Baderbräu nennt. Aber da haben wir uns getäuscht! Wenn man bei der Internet-Suche nur den Suchbegriff „Baderbräu“ eingibt, landet man bald bei einem ganz anderen Baderbräu. Hier die kurz gefassten Geschichten:
1. Baderbräu Schnaitsee
Als wir im Jahre 2005 eine Brauerei am Baderweg Nr. 4 in Schnaitsee gründen wollten, standen verschiedene Namen für diese Brauerei im Raum. Wir haben uns für Baderbräu entschieden, denn in dem Gebäude ist mindestens seit dem Jahr 1532 der Bader ansässig gewesen und hat hier sein Gewerbe und ein Bad betrieben. Der Bader war damals nicht nur Friseur und Bademeister, sondern auch Mediziner. Und damit überschneiden sich die Tätigkeiten eines Baders mit denen einer Brauerei: Beide arbeiten für das körperliche und seelische Wohl ihrer Klienten.
2. Baderbräu Chicago
1988 von einem Tschechen namens Pavichevich als Craftbierbrauerei in Elmhurst, einem Vorort von Chicago gegründet, hat es das Baderbräu Chicago nach einem Konkurs in den 1990er Jahren unter dem Investor Rob Sama zu beachtlicher Größe geschafft. Berühmt wurde es mit seinem Pils nach tschechischer Art. Aber der Wettbewerb ist auch in den Vereinigten Staaten hart. Anscheinend wurde Baderbräu Chicago im Jahr 2018 übernommen, aufgelöst und besteht nur mehr als Biermarke weiter. Die Web-site www.baderbrau.com ist nicht mehr am Netz.
3. Baderbräu Lauterbach
zwischen Donauwörth und Dillingen, nördlich von Augsburg liegt der Ort Buttenwiesen, und in dessen Gemeindeteil Lauterbach ist auch heute noch eine Brauerei, die Privatbrauerei Ehnle, früher besser bekannt als die Weizenbierbrauerei Lauterbach. Diese firmierte in den 1930er Jahren nach ihrem damaligen Besitzer, Georg Bader, als „Baderbräu Lauterbach“. Diese stellte auch ein so genanntes „Reformbier“ her. Wenn Sie sich jetzt fragen, was ein Reformbier denn ist, dann lesen Sie dies in einem der nächsten Beiträge.
4. Birra Bader in Siena
Jetzt muß den 3 Baderbräus tatsächlich noch ein Vierter hinzugefügt werden. Der Wirt vom Gasthaus Oberndorf bei Haag, Wolfgang Grasser hat mir aus dem Italienurlaub diese Überraschung mitgebracht. In Siena, in der schönen Toskana besteht seit über 200 Jahren eine Brauerei, gegründet 1822 und seit 1876 von einem Würtemberger Brauer mit dem Namen Wilhelm Bader mit dem Namen „Birra Bader“ geführt wird und auch heute noch besteht
Wasserburger Weissbierbrauereien
-ein kurzer Abriss über die Geschichte des Weißbiers in Bayern und die spezielle Geschichte der Weißbierbrauereien in Wasserburg am Inn-
Von Edmund Ernst, Februar 2021
1. Das Bayerische Reinheitsgebot als Weißbierverhinderungsgesetz
Schon viel ist geschrieben worden über die zahlreichen Wasserburger Bierbrauereien, wir sprechen hier von immerhin 16 Braustätten. Die meisten haben ihren Ursprung im 15. bis 17. Jahrhundert und brauten ihre Biere seit 1516 nach der in diesem Jahr vom Bayrischen Kurfürsten erlassenen Malzsteuerverordnung, dem heute so genannten „Reinheitsgebot“, – also reine Gerstenbiere. Die Verwendung von Weizenmalz war nach oben genannter Verordnung nicht erlaubt.
Wer jetzt glaubt, dass ab 1516 kein Weißbier mehr gebraut, verkauft und getrunken worden wäre, der täuscht sich! War doch Weißbier in dieser Zeit das edlere Bier, das einen höheren Preis hatte und deswegen hauptsächlich vom wohlhabenden Bürgertum getrunken wurde. Oft wird behauptet, dass dieses „Weißbierverhinderungsgesetz“ von 1516 dazu gedient haben soll, den Weizen als Brotgetreide für die Versorgung des Volks und die bayrischen Truppen zu erhalten, an statt ihn in Bier zu verwandeln. Aber das ist ein Irrglaube! Wie bei vielen Gesetzen, die erlassen werden, stehen auch beim sog. „Reinheitsgebot“ handfeste materielle Interessen im Hintergrund. Ein Beleg dafür, dass sich die Menschheit in Sachen Materialismus in den letzten Jahrhunderten nicht weiter entwickelt hat, oder anders ausgedrückt – dass die Alten auch nicht besser waren, als wir es heute sind.
1516: Die bayerische Staatskasse war klamm. Der bayrische Herzog Wilhelm IV suchte nach Möglichkeiten, die Kasse zu sanieren. Und so hat er Privilegien an verschiedene Brauhäuser vergeben, die dann Weißbier herstellen durften. Diese Lizenzen ließ er sich teuer bezahlen.
Mit dem Übergang des sogenannten bayerischen „Reinheitsgebots“ in das Reichsbiersteuergesetz anläßlich der Reichsgründung im Jahre 1871 erfuhr dieses eine grundlegende Erneuerung. War im bayerischen „Reinheitsgebot“ als Bierzutat „Gerste“ genannt, so wurde im Reichsbiersteuergesetz statt „Gerste“ das Wort „Malz“ verwendet. Und Malz ist ein allgemeiner Begriff, denn man kann alle Getreidearten vermälzen, so auch den Weizen. Dies war die Geburtsstunde der Weißbierbrauereien in Bayern.
2. Der Gründungsboom von Weißbierbrauereien nach 1871
In den Jahrzehnten nach 1871 setzte eine regelrechte Gründungswelle in fast allen bayerischen Städten und Märkten ein. Eine Unzahl kleiner und kleinster Weißbierbrauereien entstanden. Viele davon verschwanden so schnell, wie sie empor geschossen waren, oft schon nach wenigen Jahren wieder. Trinkt man heute das Weißbier einer reinen Weißbierbrauerei, so kann man auf dem Etikett häufig das Gründungsdatum der Brauerei lesen und das liegt meistens zwischen 1871 und 1930. Die Weißbierbrauereien hatten es damals nicht leicht, gegen die alt eingesessene Konkurrenz zu bestehen. Der Bierkonsument war auch damals schon sehr konservativ und so erreichte der Weißbierabsatz in den Anfangsjahrzehnten keine nennenswerten Zahlen. Erst ab den 1970er Jahren erlebte das Weißbier einen Absatzboom, der bis heute anhält.
3. Die Einführung des Flaschenbiers und die Flaschengärung beim Weißbier
Beflügelt wurde die Gründungswelle der Weißbierbrauereien auch durch die Einführung der Flaschenabfüllung gegen Ende des 19. Jahrhunderts:
Wenn wir uns jetzt kurz in das Jahr 1870 zurückversetzen – und abends, nach getanem Tageswerk ein Bier trinken wollten, so gab es damals zwei Möglichkeiten. Entweder man wäre in eine der zahlreichen Schankwirtschaften gegangen. Dort stand dann ein Fass am Tresen, aus dem das Bier in Gläser gezapft und ausgeschenkt wurde. Oder: Neben dem Tresen war meistens ein Mauerdurchbruch in den Hausgang, die so genannte Gassenschenke. Wer sein Bier zuhause trinken wollte, ging mit dem Krug zur Gassenschenke und ließ in füllen. Flaschenbier gab es nämlich nicht. Flaschenbier hat sich erst nach 1900 langsam durchgesetzt. Bis etwa 1900 war fast alles Bier Fassbier! Für die Herstellung von Flaschenbier ist eine aufwändigere Technik von Nöten, und die gab es damals noch nicht. Aber das ist ein eigenes Kapitel und wird ein andermal erörtert.
Tatsache ist, dass die Abfüllung von Weißbier in Flaschen den Weißbierbrauern ein ganz neues Produktfeld eröffnete: Das Hefeweißbier mit Flaschengärung! Vereinfacht erklärt, funktioniert das so: Füllt man das Weißbier nach der Hauptgärung in Flaschen ab, so findet in der Flasche die sog. Nachgärung und Reifung des Bieres statt. Die bei der Gärung entstehende Kohlensäure macht das Bier spritzig und erfrischend. Die sich absetzende Hefe kann man beim Einschenken aufschütteln und ins Glas geben. Die Flaschengärung ist auch heute noch Markenzeichen vieler Weißbierbrauer. Da Hefe für den menschlichen Körper sehr positive Eigenschaften besitzt, wurden Weißbiere damals oft sogar als eine Art Heilmittel vermarktet. In der Anfangszeit der Flaschenabfüllung wurden die Flaschen mit Korken verschlossen, der mit einem Drahtbügel gesichert war, ähnlich wie beim Sekt. Ab 1890 setzte sich langsam der Bügelverschluß durch, welcher 1886 patentiert wurde. Doch manche Weißbierbrauereien verwendeten bis in die 1920er Jahre Korkverschlußflaschen.
4. Die Wasserburger Weißbierbrauereien
Auch an Wasserburg ist der Gründungsboom der Weißbierbrauereien nicht vorbei gegangen. Mindestens zwei Weißbierbrauereien sind mir bisher bekannt. Das Kapitel ist noch weitgehend unerforscht. Die Quellen sind äußerst spärlich. Von den ehemaligen Besitzern leben keine Nachkommen mehr, die über die Brauereien Aufschluß geben könnten. Die Gebäude, in denen sich die Brauereien befanden, werden seit vielen Jahrzehnten anders genutzt, so dass auch darin heute nichts mehr erhalten ist, was auf eine Brauerei hindeutet. Das einzige handfeste Relikt einer Wasserburger Weißbierbrauerei ist eine alte Flasche mit der Aufschrift „Waizenbierbrauerei Wasserburg“. Sie kann derzeit keiner der Wasserburger Weißbierbrauereien zugeordnet werden. (Der Autor vermutet, dass die Flasche der Brauerei Friedlhuber zuzuordnen ist) Die Flasche, die sich im Besitz eines Sammlers befindet, hat einen Korkverschluß. Die Tatsache, dass das Wort „Waizen“ mit „ai“ geschrieben ist, deutet darauf hin, dass die Flasche in der Zeit vor oder kurz nach der Rechtschreibreform von 1901 entstanden sein muss, wahrscheinlich um 1890.
5. Erwähnungen von Weißbierbrauereien im Wasserburger Anzeiger (WA) und anderen Quellen
Die für mich wichtigste und zugänglichste Quelle zu den Wasserburger Weißbierbrauereien ist der Wasserburger Anzeiger (WA).
„Simon Grein richtet eine Weißbierbrauerei in Wasserburg ein“ (Quelle: WA 1883, 22. 03.). Wo und ob er diese Weißbierbrauerei tatsächlich eingerichtet hat, ist unbekannt und sehr fraglich. (Simon Grein war Inhaber des gleichnamigen und bis 1966 bestehenden Greinbräus. Es war lange Jahre die größte Brauerei in Wasserburg, gelegen zwischen Kirchhofplatz und Ledererzeile. Die Mälzerei mit ihrem Darrekamin ist in ihren Umrissen heute noch erhalten und dient Wohnzwecken. Kurz vor der Betriebsaufgabe im Jahr 1966 ließ der Greinbräu eigene Weißbiergläser herstellen. Offenbar war geplant, selbst ein Weißbier zu produzieren. Auch dazu ist es nicht gekommen.)
Weißbierbrauerei Ignatz Friedlhuber – 1888, 1. 06. (WA): Alois Eberl kauft Haus Nr. 196, richtet Wirtschaft und Brauerei ein. (Quelle: WA Nr. 47 von 1888). Haus Nr. 196 war vorher Branntweiner Stecher und ist heute das Innkaufhaus. – 1890, 27. 08. (WA): Lorenz Eichner kauft Kaffeeschänke und Weißbierbrauerei von Eberl. (Quelle: WA Nr. 69 von 1890) – 1890, 22. 10. (WA): Joh. Nep. Grenzner kauft Weißbierbrauerei des Herrn Eichner. (Quelle: WA Nr. 85 von 1890) – 1891, 07. 02. (WA): genannt wird eine „Grenzner’sche Weißbierbrauerei“ – 1891, 02. 05. (WA): Ignatz Friedlhuber kauft Weißbierbrauerei in Wasserburg. (Quelle: WA Nr. 36 von 1891) – 1899, 16. 07. Ignatz Friedlhuber führt seine Weißbierbrauerei und Limonadenfabrik wieder selbst. (Quelle: WA Nr. 84 von 1899) – 1922, 11. 03. (WA): Weißbierbrauerei Friedlhuber an Herrn Karl Puchta von Wald an der Alz verkauft. (Quelle: WA Nr. 59 von 1922)
Aus Gesprächen ist mir bekannt, dass Ignatz Friedlhuber einen Sohn hatte, der die Brauerei weiter führen sollte, dies aber aufgrund einer Kriegsverletzung nicht konnte. Hiermit endet die Geschichte der Weißbierbrauerei Ignatz Friedlhuber. Das Gebäude in der Ledererzeile 1 wurde bald danach in ein Kino des hiesigen Kinobetreibers Reheis umgebaut, welches bis in die 1960er Jahre bestand. Seit den 1970er Jahren beherbergt das Gebäude das Innkaufhaus.
Ignatz Friedlhuber hat die Brauerei im Gegensatz zu seinen Vorgängern immerhin über 30 Jahre lang betrieben. Offenbar machte er nicht nur Weißbier, sondern auch Limonaden. Aus dem Eintrag in das „Adressbuch für die gesamte Brau-Industrie Europas“ von 1914 geht hervor (siehe unten), dass Friedlhuber auch untergärig gebraut haben muss, also nicht nur Weißbier hergestellt hat. Der Strategie, nicht nur von einem Produkt abhängig zu sein, mag es zu verdanken sein, dass er so lange am Markt bestehen konnte.
Auszug aus dem „Adressbuch für die gesamte Brau-Industrie Europas“ von 1914. „u“ und „o“ stehen für Unter- bzw. Obergärung.
- Weißbierbrauerei Longinus Bergbauer – 1881, 18. 01. (WA): Eröffnung der Weißbierbrauerei des Longinus Bergbauer. War vermutlich am heutigen Aiblingerplatz, früher ‚am Gries‘. (Quelle: WA Nr. 4 von 1881) – 1883, 08. 04. (WA): L. Bergbauer Weißbierbrauerei wird erwähnt: „sehr gutes Weißbier“. (Quelle: WA Nr. 27/28 von 1883) – 1884, 26. 10. (WA): Thomas Zahlheimer pachtet Bergbauer’sche Weißbierbrauerei (Einstandsfeier). (Quelle: WA Nr. 86 von 1884) – 1885, 29. 08. (WA): Longinus Bergbauer, Hausbesitzer und Taglöhner wurde mit Familie am 26. 08. 1885 wegen Verdachts der Brandstiftung (Stadtbrand von 1885) verhaftet. (Quelle: WA Nr. 69 von 1885) – 1885, 27. 09. (WA): Versteigerungsbekanntmachung von Haus Nr. 284 1/3, Besitzer ist Longinus Bergbauer. (Quelle: WA vom 27. 09. 1885) – 1885, 06. 11. (WA): Winkler Stiftung erwirbt das Haus – 1885, 18. 11. (WA): Familie Bergbauer wegen Verdachts der Brandstiftung wurde freigelassen. Aus anderen Berichten ist mir bekannt, dass der Stadtbrand von 1885 im ehemaligen Kasernengebäude (heute Polizeistation) bei Fasspich-arbeiten ausgebrochen sein soll.
- Weißbierbrauerei Jakob Kellner und Andreas Streimer im Wasserburger Anzeiger von 1885 wird in einem Inserat die Neueröffnung der „Weißbierbrauerei am Gries“ von Jakob Kellner und Andreas Streimer erwähnt. Danach hört man nichts mehr davon. Vielleicht ist diese Brauerei ein Nachfolgebetrieb der Bergbauer’schen Brauerei in Haus Nr. 284 1/3. Sie hat wahrscheinlich nur wenige Monate bestanden.
5. Schlußbemerkung
Die Geschichte der Weissbierbrauereien in Wasserburg ist keine Große. Sie ist gezeichnet von häufigem Besitzerwechsel, was vermuten läßt, dass die Weißbierbrauerei damals kein sehr einträgliches Geschäft gewesen sein kann, aber sie läßt auch erkennen, dass ein gewisser Pioniergeist geherrscht haben muss und sich viele Brauer mit Begeisterung in das Abenteuer gestürzt haben.
Abschließend möchte ich bitten, wenn jemand etwas über die Geschichte dieser Brauereien weiß, oder Dokumente und vielleicht sogar Bilder davon hat, mir dies für meine Brauereiforschung mitzuteilen.
Quellenangaben: Foto der Weißbierbrauerei Ignatz Friedlhuber: Postkarte aus dem Stadtarchiv Wasserburg.
Auszug aus dem „Adressbuch für die gesamte Brauindustie Europas“, Ausgabe 1914
Wasserburger Anzeiger, verschiedene Ausgabedaten
Das ist mega Interessant!!! Du solltest ein Buch darüber schreiben
Hab des ganz fasziniert glesn.
Besonders des übers Weissbier, äußerst interessant !
Meine Hochachtung !
Des war bestimmt a Schweinsarbad.
Ein super Bericht – da freu ich mich doch gleich noch mehr, wenn ich zu Baderbräu nach Schneitsee in den Biergarten radle- und mir ein Weißbier oder Helles schmecken lasse. Vielen dank für alle Anekdoten.
Do fangst zum Lesn o und konnst nimma aufhörn! Subba interessant!